Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat in einer Vielzahl von jüngeren Entscheidungen zahlreiche in Mietverträgen übliche Formulierungen von Vertragsbestimmungen für rechtswidrig erklärt. Das aus meiner Sicht für Mieter wirtschaftlich bedeutendste Ergebnis dieser oberstgerichtlichen Entscheidung war allerdings die Rechtsunwirksamkeit der so genannten Wertindexanpassungsklausel in einer Vielzahl von Mietverträgen.
Um im Rahmen eines Mietvertrages den Mietzins künftig anheben zu können, ist es erforderlich, dass im Mietvertrag eine Wertindexanpassungsklausel (bei der es sich um eine Preisanpassungsklausel handelt), in der aufgrund von gewissen Kriterien (beispielsweise einem Verbraucherpreisindex) die Möglichkeit einer Anhebung des Mietzinses vereinbart wird. Üblicherweise wird ein gewisser Verbraucherpreisindex vertraglich vereinbart, steigt dieser um mehr als 5% an, ist der Vermieter berechtigt den reinen Mietzins (nicht die Betriebskosten) um diesen Prozentsatz anzuheben. Hierdurch soll für den Vermieter sichergestellt werden, dass der ursprünglich vereinbarte Mietzins nicht beispielsweise durch Inflation oder Preisanstiege in der Realwirtschaft, entwertet wird.
Neu an der Rechtsprechung ist, dass im Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) der OGH im Zusammenhang mit Wertindexanpassungsklauseln insbesondere auf Verträge zwischen einem Unternehmer (gewerblichen Vermieter) und einem Konsumenten (einer Privatperson) erstmals die strengen Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) angewendet hat (hierbei handelt es sich insbesondere um die Entscheidungen 2Ob 36/23t und 8Ob 37/23h). Der OGH hielt dazu fest, dass vor allem bei jenen Wertindexanpassungsklauseln, wo aufgrund der Formulierung eine Erhöhung des Mietzinses für die ersten beiden Monate ab Mietvertragsabschluss nicht ausgeschlossen ist, dies rechtwidrig ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es völlig irrelevant ist, ob es tatsächlich zu einer Erhöhung des Mietzinses in den ersten beiden Monaten ab Mietvertragsabschluss gekommen ist oder nicht, wenn aufgrund der Formulierung eine solche möglich gewesen wäre, ist die Wertindexanpassungsklausel rechtswidrig und kann erfolgreich angefochten werden.
Für den Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG), dies betrifft freifinanzierte Neubauwohnungen sowie Dachgeschosswohnungen in Altbauten, gibt es ebenfalls eine Entscheidung, wonach (zusätzlich zu dem zuvor angeführten Anfechtungsgrund) eine Wertindexanpassungsklausel auch dann angefochten werden kann, wenn im Vertragstext nur eine Erhöhungsmöglichkeit des Mietzinses zugunsten des Vermieters vorgesehen ist, nicht aber auch eine vertragliche Verpflichtung des Vermieters bei einem Sinken des Verbraucherpreisindex den Mietzins nach unten zugunsten des Mieters anzupassen. Fehlt es an dieser Verpflichtung des Vermieters den Mietzins zugunsten des Mieters nach unten anzupassen, ist die Wertindexanpassungsklausel ebenfalls rechtswidrig.
Widerspricht die Wertindexanpassungsklausel in einem Mietvertrag diesen Grundsätzen (den Entscheidungen des OGH) kann die Klausel gerichtlich angefochten werden. Wenn aber als Folge einer Feststellungsklage die Wertindexanpassungsklausel aufgehoben wird, hat dies zur Folge, dass sämtliche seit Mietvertragsabschluss vorgenommenen Erhöhungen des Mietzinses unzulässig waren, weiters dass gleichsam auf ewig (für die Dauer des Mietvertrages) hinkünftig ausschließlich der Mietzins, der im Mietvertrag vereinbart wurde (ohne jede Erhöhungsmöglichkeit) vom Vermieter gefordert werden kann. Wird eine Wertindexanpassungsklausel für unwirksam erklärt hat dies somit zur Folge, dass der Mietzins auf Dauer in Höhe des im Mietvertrag vereinbarten Betrages eingefroren wird. Im Extremfall kann dies für Mieter zu einer dauerhaften jährlichen Ersparnis in Höhe von mehreren tausend Euro führen. Was allerdings die bisher kassierten Mietzinse betrifft (die über dem im Mietvertrag vereinbarten Mietzins lagen) ist nach derzeitiger Rechtslage ausschließlich eine Rückforderung der zu viel kassierten Beträge für die letzten 3 Jahre zulässig, wobei aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum Fall "Gumpinger" nicht ausgeschlossen werden kann, dass möglicherweise hinkünftig (nach Vorliegen einer Entscheidung des OGH, in der von der bisherigen Praxis abgegangen wird) der gesamte zu viel bezahlte Mietzins zurückgefordert werden kann.
Im Hinblick auf diese neue Rechtslage biete ich hiermit Mietern deren Mietverträge entweder dem Teilanwendungsbereich oder dem Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) unterliegen an, deren Mietverträge unentgeltlich hinsichtlich der Zulässigkeit der Wertindexanpassungsklausel rechtlich zu prüfen. Dabei muss es sich um unbefristete Mietverträge über Altbauwohnungen, Dachgeschosswohnungen in Altbauten oder Neubauwohnungen (freifinanzierte Neubauten ab 1953) handeln. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Vermieter ein Unternehmer (das heißt ein gewerblicher Vermieter) sein muss (nicht eine Privatperson die eine oder zwei Eigentumswohnungen hat, die sie vermietet), weil nur Mietverträge zwischen einem Unternehmer (gewerblichen Vermieter) und einem Konsumenten (Privatperson) dem Konsumentenschutzgesetz unterliegen und die zuvor angeführten Entscheidungen des OGH Mietverträge betrafen, die dem Konsumentenschutzgesetz unterlagen. Ebenfalls nicht betroffen von diesen Entscheidungen sind Gebäude (Genossenschaftswohnungen und Gemeindewohnungen), die unter Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichtet wurden.
Sollten Sie also einen gewerblichen Vermieter haben, Ihr Mietvertrag auf unbestimmte Zeit errichtet worden sein und die von Ihnen gemietete Wohnung entweder in einem Altbau, in einer Dachgeschosswohnung eines Altbaus oder in einem freifinanzierten Neubau liegen, biete ich Ihnen hiermit unentgeltlich an die Wertindexanpassungsklausel Ihres Mietvertrages im Rahmen eines kurzen Gesprächs rechtlich zu prüfen und sofern eine Anfechtung der Klausel aus meiner Sicht realistisch ist, die Möglichkeiten einer Anfechtung der Wertindexanpassungsklausel mit Ihnen zu besprechen.
Wien, Oktober 2024